Seelenlabor
Therapeutensuche - ein steiler Berg!
… also schnappt euch die Steigeisen!
Liebe Leute,
heute Mal ein Thema, das bei vielen Menschen für viel Frust und Verzweiflung sorgt: die Therapeutensuche. Zunächst muss man einfach mal sagen, dass es für viele Menschen schon ein riesiger Schritt ist, an diesen Punkt zu gelangen. Nämlich zu sagen, „ich habe ein Problem, ich brauche professionelle Hilfe“. Umso schlimmer und dramatischer ist es, dass sich mit dieser Entscheidung für viele ein riesiger Berg auftürmt, den es nun zu erklimmen gilt – und zwar in den meisten Fällen ohne Seilschaft und extra Sauerstoff, sondern ganz allein. Die Liste mit den Therapeuten ist schnell ausgedruckt, doch dann startet die Suche. Allein zum Telefonhörer zu greifen, ist für manche Betroffene schon eine unüberwindbare Hürde. Anrufen, von seinem Problem berichten, immer mit dem Hintergedanken, dass die Wartelisten doch sowieso schon voll sind. Bringt das überhaupt was? Die klare Antwort ist: JA! Denn eine Therapie ist bei psychischen Erkrankungen ein ganz wichtiger Teil des Genesungsprozesses. Deshalb möchte ich euch in diesem Beitrag ein paar Tipps und Tricks verraten, wie ihr euch die Suche etwas einfacher gestalten könnt.
Wo finde ich überhaupt Therapeut*innen?
Hier sind die Psychotherapeutenkammern der einzelnen Bundesländer eine wichtige Quelle. Ihr findet sie im Internet, wie beispielsweise die Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen unter https://www.ptk-nrw.de/patientenschaft/psychotherapeutensuche oder über Google (Psychotherapeutenkammer + Bundesland). Eine andere deutschlandweite Variante ist auch die Seite des Vereins Pro Psychotherapie e.V. unter https://www.therapie.de/therapeutensuche/ oder auch der Terminservice eurer Krankenkasse unter der Nummer 116117.
Woher weiß ich, welche*r Therapeut*in gut ist?
Das ist natürlich schwer zu beantworten, vor allem, weil bei einer Therapie ganz viele persönliche Aspekte eine Rolle spielen. Fühle ich mich dort wohl? Habe ich das Gefühl, dass ich offen über alles reden kann? Wie soll man das bei einer Internetrecherche herausfinden? Berechtigte Frage, geht natürlich nicht. Aber! Es kann sehr hilfreich sein, sich vor der Suche ein paar Fragen zu beantworten, wie zum Beispiel würde ich lieber mit einem Mann oder einer Frau sprechen? Das kann die Suche unter Umständen eingrenzen. Viele Therapeuten haben mittlerweile Internetpräsenzen. Schaut euch die Seiten an, macht euch ein Bild und schaut, ob es euch ein gutes Gefühl vermittelt. Tauscht euch vielleicht auch mit anderen Menschen aus, die bereits eine Therapie gemacht haben und fragt nach deren Erfahrungen. Macht euch dann eine „Long-List“ mit Therapeut*innen, die für euch in Frage kommen und notiert euch am besten auch, wie diese zu erreichen sind. Oftmals sind sie am besten per Mail zu erreichen, teilweise wird aber auch die telefonische Kontaktaufnahme bevorzugt – womit wir auch gleich beim nächsten Punkt sind.
Wie nehme ich Kontakt auf?
Wenn es für euch kein Problem ist, ruft einfach an und sprecht auf jeden Fall auf den Anrufbeantworter. Viele Therapeuten haben keine Empfangsmitarbeiter, die Anrufe entgegennehmen, sie arbeiten daher gerne mit Rückrufen. Legt euch vorab zurecht, was ihr sagen möchtet (Diagnose, Name, Telefonnummer). Wenn ihr euch dazu nicht bereit fühlt (was völlig in Ordnung ist, da Telefonieren bei Angststörungen oder Depressionen eine große Herausforderung sein kann!) dann schreibt eine E-Mail. Auch wenn auf der Webseite eine telefonische Kontaktaufnahme gewünscht wird, werden E-Mails dennoch meist beantwortet – wenn nicht, ist es vielleicht sowieso nicht die richtige "Adresse".
Ein Beispiel für eine E-Mail könnte sein:
Sehr geehrte*r Frau/Herr …,
ich bin auf der Suche nach einer Psychotherapie, da ich (vor Kurzem) die Diagnose XY erhalten habe. Bitte teilen Sie mir mit, ob in Ihrer Praxis freie Therapieplätze vorhanden sind bzw. ob eine Warteliste besteht. Sie erreichen mich per Mail oder telefonisch unter …
Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüßen
Warteliste ja oder nein?
Auf jeden Fall. Lasst euch auf die Wartelisten setzen, denn die meisten Therapeut*innen arbeiten mit Wartelisten. Oftmals werdet ihr dann aufgefordert, euch regelmäßig zu melden, damit klar ist, dass ihr weiterhin interessiert seid und auf einen Platz wartet. Seid nicht schockiert, wenn ihr – je nach Wohnort – eine Wartezeit von 6, 12 oder mehr Monaten in Kauf nehmen müsst. Das ist leider Fakt und ein Problem, das man so schnell nicht gelöst bekommt! Aber es gibt noch andere Möglichkeiten.
Wenn ich nicht warten kann?
Kostenerstattung bei Privatpraxen
Es kann sein, dass auf eine E-Mail innerhalb von kurzer Zeit eine Antwort kommt und das Erstgespräch am nächsten Tag stattfindet, habe ich so schon erlebt. Dennoch ist dies nicht die Regel und ein Erstgespräch bedeutet leider auch nicht, dass die Therapie sofort beginnen kann, sondern auch dann noch Wartezeiten entstehen. Auch wenn die Krankenkassen euch sagen, dass ihr innerhalb von vier Wochen ein Erstgespräch bekommen müsst, ist das nicht immer der ideale Weg. Wenn ihr aber von den kassenärztlich zugelassenen Therapeuten die Rückmeldung bekommt, dass eine Therapieaufnahme innerhalb der nächsten Monate nicht möglich ist, dann könnt ihr auch eine Therapiemöglichkeit in einer privaten Praxis in Anspruch nehmen und die Kosten über das Kostenerstattungsverfahren bei der Krankenkasse beantragen. Das ist ein Weg, schneller an einen Termin zu kommen. Oftmals sind euch die Therapeuten in den privaten Praxen dabei auch behilflich. Es ist natürlich ein weiterer Berg, aber es lohnt sich! Um den Weg gehen zu können, macht es Sinn, von Anfang an alle Ablehnungen, die ihr von den Therapeuten erhaltet, zu sammeln/drucken oder zu dokumentieren, denn diese benötigt ihr für das Verfahren. In der folgenden Broschüre der Bundes-Psychotherapeutenkammer wird euch das Verfahren genau erklärt und ihr findet dort auch Vorlagen für den zu stellenden Antrag:

Also, es ist ein mühsamer Weg, das muss man so sagen/schreiben. Holt euch Hilfe von Freunden oder Menschen, die euch zur Seite stehen und haltet durch! Der Berg ist steil, aber ihr könnt es schaffen! Schaut zum Beispiel auch in eurer Stadt nach Beratungsstellen (z.B. der Diakonie oder Caritas), diese bieten oft (relativ) kurzfristig Termine an, um in schwierigen Zeiten über Probleme zu reden. Womöglich können die Termine bis zum Start der Therapie regelmäßig stattfinden. Außerdem gibt es mittlerweile online Therapieangebote, zum Beispiel über MindDoc.
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