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Depressionen
Verstehen

Niemand ist Schuld an Depressionen - Ursachen

Es gibt unterschiedliche Gründe und auch Erklärungsmodelle dafür, dass Menschen depressiv werden. Man geht aber generell davon aus, dass sowohl biologische, als auch psychische und soziale Faktoren eine Rolle spielen. Die Wissenschaft ist immer noch dabei, die Ursachen genauer zu erforschen.

Ich möchte hier kurz das Vulnerabilitäts-Stress-Modell beschreiben, das oft herangezogen wird, um das Entstehen psychischer Erkrankungen zu beschreiben.

 

 

 

 

 

Bei Depressionen spielen folgende Faktoren eine besonders wichtige Rolle:

Veranlagung/Genetische Gründe

Menschen, bei denen innerhalb der Familie bereits Depressionen aufgetreten sind, haben ein höheres Risiko, ebenfalls daran zu erkranken. Wenn ihr also Symptome einer Depression zeigt, versucht herauszufinden, wie es in der Familiengeschichte mit dem Thema aussieht und teilt dies im Arztgespräch unbedingt mit.

 

Die eigene Biografie und das soziale Umfeld

Dazu gibt es viele Studien und Ergebnisse, die zeigen, dass oft einschneidende Lebensereignisse wie Trennung und Verlust oder auch akute Stressbelastung eine große Rolle spielen. Weitere Risikofaktoren sind fehlende soziale Beziehungen, daher sind oft auch alleinlebende oder verwitwete Menschen betroffen, sowie Depressionen in der Familie. Auch Alkohol- oder Drogenmissbrauch (oder die Einnahme der Pille) können für depressive Episoden verantwortlich sein.

Das Thema erlernte Hilflosigkeit ist in diesem Zusammenhang auch interessant, „ich kann doch eh nichts dran ändern“ – diese Gedanken stellen sich ein, wenn man auf Belastungen nur immer wieder mit negativen Gedanken reagiert und sich die Abwärtsspirale in Gang setzt. Diese Gedanken verzerren die Wahrnehmung von sich selbst, der Zukunft und der Welt im Allgemeinen, bis hin zur Überzeugung, dass man doch eh nichts ändern kann.

Organische Gründe

Depressionen können gemeinsam mit anderen Erkrankungen auftreten. Bei Darm- oder Tumorerkrankungen oder bei Herz-Kreislauferkrankungen, vor allem aber auch im Alter, zum Beispiel bei einer Demenz. Probleme mit der Schilddrüse können ebenfalls depressionsähnliche Symptome auslösen. Also sollte der erste Weg immer zum Hausarzt führen, um die genauen Ursachen abzuklären!

Wir werden unter unterschiedlichen Voraussetzungen in ganz unterschiedliche Familien geboren. Manchmal sind bereits bei unseren Eltern bestimmte Veranlagungen vorhanden, die an die Kinder weitergegeben werden (genetische Komponente), dies allein führt noch nicht dazu, dass eine psychische Erkrankung unbedingt ausbrechen muss. Hinzu kommt, wie wir aufwachsen, ob man uns stark macht für das Leben oder nicht, welche Unterstützung wir erhalten, wie unsere sozialen Kontakte sind, ob wir Erkrankungen haben oder mit Drogen experimentieren. Wenn wir einen starken Start ins Leben haben, gesund sind, viel Unterstützung bekommen und lernen, dass das Leben auf unserer Seite ist, können wir einiges schultern, ohne zusammenzubrechen. Wenn nicht, fällt es uns von vornherein schon schwerer, die Päckchen zu tragen, die einem das Leben so mitgibt. Wir haben eine erhöhte Verletzlichkeit (Vulnerabilität) und leiden unter der Schwere eines kleineren Päckchens vielleicht schon mehr als andere. Denn wir haben nicht gelernt, was uns stark macht und wie wir immer mehr Päckchen effektiv schultern können. Wenn dann noch zusätzliche Belastungen aus unserer Umwelt hinzukommen, wie Stress, Trauer, Jobverlust, Krankheit oder andere Dinge, die unser Leben nachhaltig beeinflussen, dann kann es passieren, dass wir unter der Last all dieser Päckchen zusammenbrechen und psychische Erkrankungen entstehen. Denn all diese Einflüsse haben Auswirkungen auf unseren Körper und unser Gehirn, es treten Veränderungen auf, die wir vielleicht zunächst gar nicht bemerken. Psychische Erkrankungen sind also ein Zusammenspiel vieler Faktoren, die von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich sind. Kein Mensch kann etwas dafür, dass er mit einer genetischen Vorbelastung geboren wurde oder dass er in seiner Kindheit – aus welchen Gründen auch immer – eben nicht stark fürs Leben gemacht wurde und deshalb ein höheres Risiko hat zu erkranken.

Ich fühle mich wie ein Stein - Symptome

"The inabilty to 'just get over it' is depression."

Bill Bernat

Comedian & Botschafter für psychische Gesundheit

Es gibt drei Hauptsymptome, die auf eine Depression hinweisen

Ich fühle mich wie ein Stein, nichts geht mehr.   

depressive Stimmung = hoffnungslos, niedergeschlagen, unsicher, ängstlich, überfordert, gestörte Gefühlswelt, innere Leere

 

Ich wusste nicht mehr, wie sich Glücklichsein anfühlt. 

Interessensverlust/Freudlosigkeit = auch alltägliche Aktivitäten (Essen, Duschen etc.) stellen eine große Anstrengung dar, positive Gefühle wie Freude oder Stolz können nicht mehr empfunden werden, fehlendes Interesse an Hobbys oder Aktivitäten (Freunde treffen etc.)

 

Ich kann nicht aufstehen.  

Energielosigkeit/Müdigkeit = das Leben, der Alltag an sich ist schwer und anstrengend, starker Energieverlust und Erschöpfung/Müdigkeit

 

Weitere typische Symptome:

der Verlust des Appetits oder der Libido, geringes Selbstwertgefühl bis zum Gefühl komplett wertlos zu sein, Konzentrationsprobleme, negative Gedankenspirale/Grübeln, Schlafstörungen, körperliche Unruhe, Gereiztheit, Weinerlichkeit, Angst vor der Zukunft oder eben auch Suizidalität.

Es gibt auch sogenannte somatische (körperliche) Beschwerden (z.B. Schmerzen, Müdigkeit ...), oder im Falle einer schweren Episode auch psychotische Symptome, wie Wahn oder Halluzinationen. Oft treten Depressionen auch zusammen mit Substanzmissbrauch, Angsterkrankungen wie sozialer Phobie oder anderen psychischen Erkrankungen auf.

 

 

 

 

 

 

All diese Symptome gelten als klassische Leitlinie, um eine Depression zu diagnostizieren. Doch wenn Betroffene zum Arzt gehen, nennen sie vielleicht nicht genau diese Symptome, sondern andere Probleme wie: Müdigkeit und Kopfschmerzen, Magen- Darmprobleme, das Gefühl nicht mehr richtig atmen zu können oder ständig einen Kloß im Hals zu haben, Schwindel, Schmerzen, Sehstörungen und einige mehr – von Person zu Person oftmals unterschiedlich. Da natürlich auch andere Krankheiten Ursache dieser Symptome sein können, ist es umso wichtiger, diese abklären zu lassen. Auch der familiäre Hintergrund, aktuelle Belastungen, Substanzmissbrauch oder andere Faktoren können helfen, herauszufinden, ob es sich um eine Depression handelt. Der erste Weg sollte immer zum Hausarzt/zur Hausärztin führen und dort ist es besonders hilfreich, möglichst alle Symptome und belastende Faktoren anzusprechen. Die meisten Depressionsdiagnosen werden tatsächlich von Hausärzten gestellt. Es kann helfen, schon vor dem Arztbesuch eine Liste dazu vorzubereiten, auf der alle körperlichen und seelischen Veränderungen und eventuelle Risikofaktoren (z.B. Depressionen in der Familie etc.) notiert werden.

DIE Depression gibt es nicht - Varianten

Was heißt F32? Das ist der ICD-10 Code für diese Erkrankung. Diese Codes findest du z.B. auf dem Krankenschein, sie werden international verwendet.

Von "ich funktioniere noch" bis "ich will nicht mehr"

Je nachdem, wie viele Symptome vorliegen und wie sehr sie den Alltag beeinträchtigen, unterscheidet man zwischen drei Schweregraden:

Leicht: zusätzlich zu zwei Hauptsymptomen treten mindestens zwei weitere Symptome auf, der Alltag ist beeinträchtigt, kann aber größtenteils aufrechterhalten werden.

Mittelgradig: mehr als vier weitere Symptome treten neben den Hauptsymptomen auf und der Alltag ist deutlich beeinträchtigt.

 

Schwer: Mehr als vier Zusatzsymptome und alle drei Hauptsymptome sind zu beobachten. Bei einer schweren Episode kann auch danach unterschieden werden, ob zusätzlich psychotische Symptome wie Wahnvorstellungen auftreten oder nicht. Sehr oft sind auch Suizidgedanken vorhanden.

 

Von einer Episode bis chronisch

Wenn es dann um die genaue Diagnose geht, spielt der Zeitraum, in dem die Symptome auftreten eine wichtige Rolle. Danach wird genauer unterschieden, um welche Art der Depression es sich handelt.

Depressive Episode (F.32)

Bei ca. 25% der Betroffenen treten die depressiven Symptome einmalig auf und verschwinden dann wieder. Damit eine depressive Episode diagnostiziert werden kann, sollten die Symptome mindestens 14 Tage lang andauern – was natürlich nicht heißt, dass man zur Abklärung nicht schon vorher zum Arzt gehen sollte.

Rezidivierende depressive Störung (F.33)

Wenn Betroffene nicht nur eine, sondern mehrere Episoden erleben, dann wird dies rezidivierende (wiederkehrende) depressive Störung genannt. Eine solche Wiederholung ist bei mindestens 50 % der Betroffenen der Fall. Je öfter Episoden auftreten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie wiederkehren. In der Zeit zwischen den Episoden kann es sein, dass gar keine Symptome zu erkennen sind. Diese symptomfreie Zeit kann kurz sein, also ein paar Monate dauern, manchmal tritt die nächste Episode auch erst nach vielen Jahren auf. Besondere Risikofaktoren für einen Rückfall können zum Beispiel eine gleichzeitige Angststörung sein, aber auch mangelnde Unterstützung durch das soziale Umfeld oder die Tatsache, dass die Depression bereits in jungen Jahren aufgetreten ist.

Dysthymie (F 34.1)

Bei dieser Art der Depression dauern leichtere Symptome in Episoden über einen langen Zeitraum an, man kann also sagen, dass es sich um eine chronische Variante handelt. Die Symptome sind ganz ähnlich wie bei einer depressiven Episode, schränken den Alltag aber nicht ganz so stark ein wie bei anderen Formen, auch wenn Betroffene dennoch darunter leiden.

Bipolare affektive Störung (F.31)

Eine bipolare Störung besteht aus depressiven und manischen Phasen, welche sich abwechseln – die Abstände können dabei variieren. Eine solche Störung kann daher erst diagnostiziert werden, nachdem sowohl eine depressive als auch eine manische Phase durchgemacht wurde. Depressive Episoden können dabei zum Beispiel mittelgradig oder auch schwer sein. Während der manischen Episoden sind die Betroffenen oftmals extrem euphorisch oder teilweise auch aggressiv, reden sehr viel, sind enthemmt oder neigen zur Selbstüberschätzung und Realitätsverlust. Dies kann das Leben der Betroffenen, aber auch der Angehörigen sehr belasten, da während einer manischen Episode auch Schuldenproblematiken oder Konflikte mit dem Gesetz aufkommen können.

Postpartale Depression

Diese Form der Depression kann nach der Geburt auftreten und ist nicht zu verwechseln mit dem Baby Blues, den einige Frauen nach der Geburt erleben. Eine postpartale Depression dauert sehr viel länger an und sollte unbedingt behandelt werden. Typische Anzeichen können sein, dass die Mutter große Probleme hat, das Kind anzunehmen, sie übermäßige Sorgen entwickelt oder überzeugt ist, das Kind nicht richtig versorgen zu können.  

Sind Frauen gefährdeter als Männer?

Tatsächlich zeigen die Zahlen, dass Frauen sehr viel häufiger, fast doppelt so oft, von Depressionen betroffen sind als Männer. Frauen erkranken auch früher, bei ihnen dauert die Depression länger an und sie erleiden häufiger Rückfälle. Aber die Forscher streiten sich noch, warum genau das so ist. Teilweise wird die Meinung vertreten, dass Frauen einfach belasteter und eher dazu bereit sind, über ihre Symptome zu sprechen. Andererseits wird in Bezug auf Männer oft gesagt, dass sich Depressionen bei ihnen eher in Form von Aggressionen oder Alkoholmissbrauch zeigen und sie viel später einen Arzt aufsuchen, aber auch das konnte noch nicht abschließend erforscht werden. Es kann jeden treffen und daher ist es wichtig, dass Frauen und vor allem Männer mit der Diagnose Depression nicht das Gefühl haben, sich verstecken oder schämen zu müssen.

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